Die Pflanzenfotografie blüht im Verborgenen der Kunstwelt. Dort, in einer zudem unzugänglichen Nische arbeitet die US-amerikanische Künstlerin Claire Bloomfield.
Ihre Arbeiten waren bislang nur einzelnen Menschen bekannt, und so sind wir froh und glücklich nun einen Teil von Claires Werk erstmals als Buch vorlegen zu dürfen.
Claires Arbeiten erinnern an die Fotografien von Karl Blossfeldt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Blossfeldt war an Formen, Strukturen und Ornamentik der Pflanzenwelt interessiert. Seine streng-formalen, stark vergrößerten Fotografien zahlreicher Pflanzen sah er selbst eher als „Unterrichtsmaterial“ denn als Kunst an.
Ganz anders hingegen die Bilder von Claire Bloomfield – auch wenn sie eine Reminiszenz an Blossfeldts 1928 erschienenes Buch „Urformen der Kunst“ darstellen. Claires Arbeiten lösen sich vollständig von jedem Versuch die Natur nachzuahmen. Auch wenn ihre Werke wie Pflanzen wirken, sind sie doch eigenständige Geschöpfe, Früchte eines im wahrsten Sinne kreativen Prozesses.
Die Vorstellung einer Pflanze optische Realität werden zu lassen gelingt Claire Bloomfield mittels modernster visueller Technologien. So sind ihre Fotografien (sind diese noch so zu nennen?) auch Dokumente der Entwicklung der Fotografie. Stellte Blossfeldt als analoger Lichtbildner noch nahezu deckungsgleiche Bilder seiner Pflanzen her, eröffneten sich spätestens mit dem Durchsetzen der digitalen Fotografie auch einfache Möglichkeiten der Manipulation. Claire Bloomfield kommt 2023 gänzlich ohne eine Kamera im klassischen Sinne aus – und lehnt unbekümmert jede Realität als Zwang ab.
Die neuen, von Elektronenhirnen geschaffenen Bilderwelten werden nicht unkritisch betrachtet. Von einem „Verschwinden der Wirklichkeit“ ist im Feuilleton1 bereits zu lesen. Doch welches Bild ist keine Manipulation der Wirklichkeit?
Von Anbeginn der Fotografie wurde retuschiert, in Szene gesetzt und schon bald auch mit der Schere eingegriffen. In Kunst und Werbung haben wir uns längst an manipulierte Bilder gewöhnt, nun digitalen Künstler:innen wie Claire Bloomfield vorzuwerfen ihre Arbeiten seien künstlich erschaffen wäre kleingeistig.
Da halten wir es doch lieber mit El Lissitzky, bereits 1924 schrieb er: „Die Maschine hat uns nicht von der Natur getrennt. Durch sie haben wir eine neue, vorher nicht geahnte Natur entdeckt.“2 – In diesem Sinne sprengt die Maschinenkünstlerin Claire Bloomfield begeisternd alle Grenzen der Pflanzenfotografie.
Claires in diesem Buch veröffentlichte Fotografien sind in drei Werkgruppen aufgeteilt: Seltsam fremd, Unbekannt und Ausstehend. Sie zeigen Pflanzen die uns eigenartig vorkommen, die wir erst noch entdecken werden, und solche die uns einen ersten Blick auf Zukünftige gewähren.
„Alles was denkbar ist, ist machbar.“, formulierte bereits Sokrates. Und so können wir voller Vorfreude staunend durch Claires Werk blättern. In ihrem Wundergarten vernehmen wir, unter Kringelkraut und Strahlendem Sträuchling, dabei leise die gar nicht so widersprüchliche Botschaft:
Respect nature!
Thor Zimmermann (Herausgeber)
Köln, im Mai 2023
1) Süddeutsche Zeitung vom 31. März 2023
2) im MERZ-Heft 8/9; den vollständigen Text finden Sie am Endes dieses Buches
Satz & Gestaltung: Aline Raab-Damaske
Erschienen bei eyesat.work
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